Cornelia Niedermeier, 14.Mai 2009
Die seltsame Sprache der Sessel und Sofas
Klein ist der Mensch, groß die Natur.
Das Kabinetttheater verändert die Dimensionen.
Das Wien Kabinetttheater präsentiert 14 neue Minidramen
Wien - Gegenstände sprechen ihre eigene Sprache. Jeder Gegenstand erzählt - durch sein Material, den Zeitpunkt seiner Herstellung, den gesellschaftlichen Stellenwert, den wir ihm zuerkennen. Ein Plastiksessel im Schanigarten einer Pizzeria in Favoriten weiß andere Geschichten zu berichten als sein chromblinkender Bruder in den Nobel- Ristoranti des Ersten Bezirks.
"Moralisch verschlissenes Material" nennt etwa Frank Castorfs Chef- Bühnenbildner Bert Neumann an der Berliner Volksbühne solche industriell gefertigte Massenware Marke billig, die er bevorzugt auf die Bühne stellt, da sie viel - ja - erzählt über das Deutschland (oder Österreich) der Gegenwart.
Hierzulande scheinen die Bühnenbildner (im Unterschied zu Künstlern wie Bert Neumann oder Anna Viebrock) momentan kaum etwas von der Sprache der Gegenstände zu ahnen - was wiederum die grauenhaften szenischen Räume beredt ausplaudern.
Desto froher stimmt ein Besuch im Hinterhof der Porzellangasse 49. Schon vor Beginn der Vorstellung, beim Anblick der Ansammlung von etwa vierzig eigenwilligen Sessel-Persönlichkeiten, auf denen das Publikum Platz nehmen wird, ist klar, dass hier nicht nur dem Menschen Redefreiheit eingeräumt wird. Julia Reichert, Puppenmacherin, Regisseurin und Prinzipalin des Kabinetttheaters, weiß wie kaum eine zweite in Österreich mit den Objekten - und durch sie - zu kommunizieren.
"Das Gelbe vom Sofa" heißt denn auch das jüngste Programm mit vierzehn Minidramen, viele von ihnen eigens für das Kabinetttheater geschrieben. Ur- und Erstaufführungen etwa von Rosa Pock, Herbert J. Wimmer, Wolfgang Bauer, Gert Jonke, Gustav Ernst, Daniil Charms und Javier Tomeo.
Dramen von manchmal nur einer Minute Dauer, in denen das Gelbe Sofa als Protagonist eine prominente Rolle spielt. In denen winzige Öfen erstaunliche Rauchmengen durch bizarre Rohrsysteme blasen; in denen nussschalenkleine Schiffe über wildbewegten Seidenstoffmeeren schaukeln, während sichtbar unter der Bühne ein Mitarbeiter nach Kräften strampelt - und föhnt -, um die szenische Maschinerie zu bedienen: Das Verborgene wird gezeigt im Kabinetttheater, und das mit großem Vergnügen - und Freunden, die mitwirken: Burgschauspieler Dirk Nocker ebenso wie Wolfram Berger.
Gespräch über das Fehlen jeglicher Poesie heißt eines der Dramen, von A. Vvedenskij. In der Porzellangasse dagegen hat sie Gestalt.