wienerzeitung

 

Rainer Elstner, 22.3.2007

Vom Orpheus in der Opernwelt

 

Kabinetttheater zeigt in der „Hölle" des Theaters an der Wien das Puppenstück „Gute Götter - so ein Theater!"

 

Ein dunkles Eck im Keller eines Theaters. Während oben der Abendspielleiter das Orchester in den Graben und die Darsteller auf die Bühne ruft, entwickeln im Souterrain alte Requisiten ein irrwitziges Eigenleben. Operngeister schlüpfen in Masken und Puppen, singen sich durch die Operngeschichte.
Die Stimme aus dem Off ruft verzweifelt nach dem Hauptdarsteller des Abends: Orpheus. Der Paradesänger der griechischen Mythologie bleibt verschollen. Er steigt ab in die Unterwelt des Theaters. Dort trifft der Orpheus-Tenor (sehr sicher: Ulfried Haselsteiner) auf das Unbewuss-te eines der großen Opernmythen. Fasziniert verweilt er für eine knappe Stunde in der Puppenwelt des Kabinetttheaters. Begleitet von einem stimmungsvoll musizierenden Trio (Akkordeon, Flöte, Cello) singen Mensch und Puppen (Julia Reichert, Jenny Podehl, Christopher Widauer und Thomas Kase-bacher) von Liebe und Tod, es erklingt Schmachtendes von Monteverdi über Offenbach bis Verdi.

 

In Stücke gerissen
Detailverliebt und präzise ist die Regie von Thomas Reichert, optisch verspielt, auf den zweiten Blick hin-terfotzig. Der Sänger wird ins Puppenspiel gesogen, magisch angezogen von einer Frauenbüste. Er schlüpft unter ihren Rock, um als kleine Puppenfigur wieder zwischen ihren Brüsten hervorzukriechen, ein kleiner Klettermax in überhängender Wand. Als der zum Orpheus gewandelte Orpheus-Darsteller aufbrechen will, um dem Ruf des Abendspielleiters nachzukommen, halten ihn die Puppen zurück und führen ihn dem götterbestimmten Schicksal zu: Orpheus wird in Stücke gerissen. Schließlich treibt sein Kopf, ganz wie es der Mythos lehrt, singend auf die Insel Les-bos zu. Orpheus ist hier nicht nur im metaphysischen Sinn in der Unterwelt. Das Kabinetttheater spielt in der „Hölle": Über dreißig Jahre lang wurde im Kellersaal des Theaters an der Wien Kabarett gespielt, seit den 1960er Jahren wird die einst „Hölle" getaufte Lokalität als Pausenraum genutzt. „Gute Götter - so ein Theater!" war die erste von vier geplanten Produktionen des Kabinetttheaters in der ehemaligen „Hölle". Auf die Version von „Der Bürger als Edelmann" im November darf man schon jetzt gespannt sein.