Neue Zürcher Zeitung, 10.09.2011

Erlebnisse eines Gestrandeten

 

Zürcher Uraufführung von Mischa Käser

Michelle Ziegler · Mit dem Verlassen des elterlichen Heims hat sich der lebensmüde Zwanzigjährige Samuel Bennett in eine Zwangslage gebracht: Familie und Gesellschaft erwarten von ihm, dass er nun in London die Welt entdecke. Und gerade in seiner resignierten Teilnahmslosigkeit zieht er tatsächlich Abenteuer an, lernt er schräge Personen kennen und wird er verführt. Dieses Absurde fasziniert an dem Theaterstück, das der Zürcher Komponist Mischa Käser in sehr enger Anlehnung an Dylan Thomas' Romanfragment «Adventures in the Skin Trade» verfasst hat. Nur am Schluss, wo Thomas' Erzählung vermutlich wegen dessen frühen Hinscheidens abbricht, fügt Käser eigene Worte hinzu und schafft damit einen starken Bruch. Sein lyrischer Text über das Aufführen von Musik tritt in der Uraufführung im Theater Rigiblick in Zürich unvermittelt ein. Er vermag es anhand dieser Distanznahme aber, aus der Romanhandlung hinauszuführen. Segmentiert wird er von einem in seiner Virtuosität brillanten Geigensolo von Bettina Boller.

 

Das Unwirkliche und das Surreale vermischen sich in Thomas' Text auf originelle Weise mit der Erzählung der Geschichte. Wie bei Rimbaud und Kafka erscheinen sie somit als originärer Teil des Lebens. Mischa Käser hat an dieser Traumwelt angeknüpft, indem er das Stück als Puppentheater umgesetzt hat. Die Puppen verschiedenster Machart und Grössen, welche die Spieler des Kabinetttheaters Wien torkeln, tanzen und hopsen lassen, bringen den trockenen Humor des Stücks geschmack- und stilvoll herüber. Grandios realisiert der Zuger Schauspieler Herwig Ursin alle Sprechpartien und charakterisiert sie vortrefflich.


Über weite Strecken illustriert die Musik das Theaterstück. Fein geschaffen amalgamiert sie die kontrastierenden Klangfarben von Streichern, Holzbläsern, Daumenklavier, Gläsern, Orgelpfeifen, Mandoline und Akkordeon und zitiert zum Dialog in der Bahnhofskneipe Mozart und zu Pollys hysterischem Ausbruch auf herrlich groteske Weise Renaissancemusik. Doch erst dort, wo die Komposition ausgreift und als eigenständiges Element hervortritt - wie etwa in der Szene in Mr. Allinghams mit Trödelware vollgestopfter Wohnung, in der schroff niederstürzende Motive Akzente setzen -, nimmt sie ein. Die Musiker des Collegium Novum Zürich setzen Käsers vielschichtige Partitur unter der Leitung von Johannes Kalitzke differenziert um und schärfen das Bild eines im Absurden bestrickenden Werks.